Küchenschelle

Betrachtung einer PflanzeEine Seelenübung

Die Betrachtung einer Pflanze schenkt Ruhe und erbaut neue Lebenskräfte

Wenn man in den Bergen zu den verschiedenen Jahreszeiten unterwegs ist, kommt man sehr lebendig und eindrücklich mit den verschiedenen Naturphänomenen in Berührung und kann diese studieren. Im Pflanzenreich erlebt man die unterschiedlichen Wachstumsphasen, wie das Sprießen, Blühen, die Fruchtbildung und schließlich das Welken und kann das Wirken von Energien oder auch Lebenskräften erfahren. Diese Lebenskräfte bilden die Pflanzen in ihrer Farb- und Formgestaltung aus und es entsteht der Eindruck, dass dies auf rhythmische und weisheitsvolle Weise durch die Licht- und Wärmekräfte der Sonne einerseits und die Kräfte aus dem Erdreich und dem Wässrigen andererseits, geschieht.

Auch am Menschen sind Lebenskräfte wirksam und durchdringen seinen Körper. Hier haben die Pflanzen und der Mensch eine Gemeinsamkeit, beide sind von Lebenskräften, den sogenannten Ätherkräften, durchdrungen.

Ebenso die Tiere sind von diesen Lebenskräften durchdrungen und belebt. Anders erlebt man das Gestein, die mineralische Welt, das als feste Materie nicht von lebendigen Lebenskräften durchdrungen ist und keiner Veränderung im Sinne eines Lebendig-Seins und eines Wachstums unterliegt.

Welche weisheitsvollen Kräfte wirken an den Pflanzen?

Um dies zu ergründen, muss die Art und Weise der Betrachtung einer Pflanze über die gewohnte Form hinaus getätigt werden, denn diese weisheitsvollen Kräfte sind für das bloße Auge nicht sichtbar, sie wirken im Verborgenen, im Unsichtbaren. Durch ein wiederholtes, ausdauerndes Üben wird es mit der Zeit möglich, über den Sinneseindruck eine Empfindung für die verschiedenen, wirksamen Kräfte zu entwickeln.

Man wählt eine Pflanze aus, z. B. eine Pulsatilla/Küchenschelle, und geht dazu über, diese genauer zu betrachten, um einen ersten Sinneseindruck zu erhalten. Der Übend nimmt das Betrachtungsobjekt in seiner physischen Form, in seinem irdischen Ausdruck, auf genaue und sehr sorgfältige Weise wahr.

 

Als erstes wird man die Wuchsform dieser Blume bemerken: geht die Form insgesamt mehr ins Vertikale oder in die Breite, wie ist die Pflanze in Ihrem Aufbau gegliedert, d. h. die Stängelanordnung, Blatt- und Blütenanordnung? Nach der Betrachtung der groben Form wird man mehr ins Detail gehen und die Form des Stängels, die Form der Blätter und Blüten betrachten und als nächsten Schritt die detaillierten Formen und Farbnuancen der Blätter und Blütenblätter; sind die Blätter gezackt oder rund an der Außenkante, ist der Stängel der Pflanze und andere Bereiche mit feinen Härchen überzogen und ist vielleicht das Grün auf der Blattoberseite ein anderes wie auf der Unterseite. Diese und auch andere Feinheiten lassen sich beim genauen Betrachten der Pflanze erkennen. Mit der Betrachtung der Pflanze ordnet man dieser auch ganz konkrete und gut beschreibende Begriffe zu, dass z. B. die Farbe der feinen, durchscheinenden Blütenblätter der Pulsatilla ein zartes, bei der geschlossenen Blüte ein mehr kräftigeres Lila ist und im Blatt teilweise so etwas wie feine dunklere Längstreifen oder lila Fäden erkennbar sind. Man bemerkt, wie durch die Begriffe und das Beschreiben ein differenziertes Bild über die Pulsatilla entsteht und dadurch die Übung eine Führung und eine Fülle bekommt.

 

Der Übungsbeginn ist gekennzeichnet von einer differenzierten und objektiven Wahrnehmung der Pflanze, die eigenen Emotionen oder Schwärmereien und die Bewunderung für die Pflanze sollten in der Betrachtung ganz zurückweichen. Man ist mit der Aufmerksamkeit ganz bei dem Objekt, der Pulsatilla, das Eigene weicht zurück und auch eine Projektion des Eigenen auf die Pflanze, die man betrachtet, wird aufmerksam als dieses erkannt und kann zurückweichen – eine Objektivität ist von großer Bedeutung, denn sie lässt das Objekt der Betrachtung frei. Eine Trennung von Subjekt, also dem Eigenen, und Objekt, der zu betrachtenden Pflanze, wird sehr genau hergestellt.

Nun baut man das Bild in der Erinnerung auf und bildet sich eine konkrete Vorstellung, man stellt sich die Pflanze noch einmal genau und detailliert vor. Die entstehenden eigenen Bewertungen weichen zurück und die Frage „Welche weisheitsvollen Kräfte wirken an der Pflanze?" begleitet die Vorstellungsbildung.

Durch die Wiederholung dieser Übung, der Betrachtung und der Vorstellungsbildung, wird eine tiefere Beziehung zur Pflanze entstehen und man kann mit der Zeit eine feine Veränderung an der Pflanze, der Umgebung und schließlich auch bei sich selbst bemerken. Durch die wiederholte Betrachtung und den Aufbau des Bildes kommt einem die Pflanze in der Regel in der Empfindung näher, sie wird lichter und auch die Verhältnisse im Umfeld können eine feine Anhebung erfahren.

Warum machen wir diese Übung und welche Wirkung hat sie?

Wir können beobachten, dass wir in einer „Zeit der Erschöpfung" leben und dieses Phänomen sehr häufig und bei vielen Menschen auftritt. Der Zustand der Erschöpfung ist in der Regel ein Ausdruck von einem Mangel an Lebenskräften, sogenannten Ätherkräften.

Ein Ätheraufbau kann entstehen, wenn aus einem Interesse heraus eine Beziehungsaufnahme zu einem Objekt, zu einem Menschen, zu einer Pflanze, erfolgt und diese Beziehung aufmerksam, rhythmisch und von einem weisheitsvollen Gedanken begleitet, gestaltet wird. Wenn wir bei dem oben genannten Beispiel der Pflanzenbetrachtung bleiben, können wir erkennen, dass hier der Mensch von einem konkreten Gedanken ausgehend in eine Aktivität kommt und sich ganz durch diese aufmerksame Hinwendung zu seinem gegenüberliegenden Objekt begibt. Durch diese aktive Hinwendung weicht das Eigene, das Körperliche, zurück und das Objekt bleibt frei von emotionalen Zugriffen. Durch die beobachtende und gedankliche Tätigkeit, diese schöpferische Aktivität, entsteht ein Aufbau von Ätherkräften. Dieser Ätheraufbau findet nicht nur beim betrachteten Objekt statt, sondern strahlt auf den Betrachter und die Umgebung zurück.

 

In einer Zeit, die häufig von Beziehungsarmut und Beziehungslosigkeit geprägt ist, ist es ein durchaus interessanter Zusammenhang, dass gerade durch eine aktive Beziehungsaufnahme, und ganz besonders in Verbindung mit einer konkreten Gedankentätigkeit, ein Aufbau von Ätherkräften möglich ist und somit aktiv ein Lebenskräfteaufbau in der Natur, in der Umgebung und beim Menschen unterstützt und gefördert werden kann.

Durch ein hohes Maß an Objektivität, genauer Beobachtung, mehrmaliger Vorstellungsbildung und bewusster Gedankentätigkeit, ist der Übende aufgefordert, seine Vorgehensweise und die daraus resultierenden Ergebnisse immer wieder zu prüfen und die eigenen Emotionen und Projektionen zu einem Zurückweichen zu bringen. Die Folge davon wird eine konkretere Außen- und Innenwahrnehmung sein und in der Folge eine immer differenziertere Unterscheidung des eigenen Denkens, Fühlens und Wollens.

Bei fortschreitender Übungstätigkeit und wachsendem Interesse für die Weisheitskräfte der Pflanzen ist es günstig, nach einiger Zeit einen weiterführenden Gedanken zu dieser Übung hinzuzunehmen. Eine Imagination von Heinz Grill aus dem Buch „Der Archai und der Weg in die Berge" aus dem Kapitel „Die Bedeutung der Alpenblumen aus geistiger Sicht", ist eine Möglichkeit:

…. „Die Küchenschelle, die verschiedenartige Farben in ihren Blüten tragen kann, versinnbildlicht die Reinheit der höheren Hierarchien. Sie will mit ihrer anmutigen und harmonischen Blüte auf diese Reinheit der anderen höheren Welten hinweisen. …..so gibt es Menschen, die brauchen wieder eine Erinnerung an die Reinheit dieser Welten, damit sie sich selbst von irdischen Sorgen und Zugriffen der Begierden und der Schweregefühle der Weltlichkeit entlasten können. Die Pflanzen sind hier vornehme Wesen, die jene Erinnerung ihrer ehemaligen Bedeutung in die Welt tragen." ….

 

 

 Weiterführende Literatur:

„Übungen für die Seele" von Heinz Grill das im Stephan Wunderlich Verlag erschienen ist  https://stw-verlag.de/produkte/uebungen-fuer-die-seele-neu/